Stuttgarter Appell

 

Der Verband deutscher Musikschulen (VdM) fordert die Träger seiner Mitgliedsschulen auf,
den Anteil angestellter Lehrkräfte kontinuierlich zu erhöhen, um die im Positionspapier der
Kommunalen Spitzenverbände geforderte Qualität der öffentlichen Musikschulen zu gewährleisten.
Nur über qualitätssichernde Rahmenbedingungen für öffentliche Musikschulen, deren
Grundlage die Perspektive einer Festanstellung ist, bleibt das Berufsbild Musikschulpädagoge
auch für zukünftige Studienbewerber attraktiv. Für Musikschulen, die das Ziel einer Vollausstattung
mit angestellten Lehrkräften noch nicht erreicht haben, empfiehlt der VdM im Sinne
des im Positionspapier der Kommunalen Spitzenverbände (KSV) und im KGSt-Gutachten
geforderten „bedarfsgerechten“ Verhältnisses von angestelltem Personal zu Honorarkräften
eine stufenweise, in Tempo und Grad an den jeweiligen Rahmenbedingungen orientierte
Erhöhung des durch angestellte Lehrkräfte erteilten Unterrichts.
Eine öffentliche Musikschule, wie sie vom VdM in seinem Strukturplan aufgestellt ist, von den
Kommunalen Spitzenverbänden in ihrem gemeinsamen Positionspapier gefordert und im KGSt-
Gutachten beschrieben wird, ist grundsätzlich nur mit angestellten, weisungsgebundenen und
angemessen vergüteten Lehrkräften zu realisieren. Musikschulen, deren Träger von ihren Honorarkräften
mehr verlangen als die vertraglich vereinbarten Unterrichtsstunden, um eine Qualität zu
erreichen, wie sie grundsätzlich nur mit angestellten Lehrkräften zu erreichen ist, vertrauen bisher
darauf, dass es keine Kläger bei den Gerichten gibt. Vieles hat sich in letzter Zeit – oft zunächst leise
und kaum wahrgenommen – so geändert und so zugespitzt, dass sich die Musikschulen im VdM in
ihrer fachlichen Verantwortung für die Träger jetzt zu Wort melden müssen.


1. Die zunächst zur Ergänzung des im Kern durch angestellte Lehrkräfte gesicherten Unterrichtsangebotes
eingesetzte „freie Mitarbeit“ hat so zugenommen, dass die vom VdM und
den kommunalen Spitzenverbänden eingeforderte Qualität musikalischer Bildung in der
Substanz gefährdet ist.

 

2. Die Sozialgerichte wie auch die Statusfeststellungsprüfungen der Deutschen Rentenversicherungen
stellen den Einsatz von Honorarkräften aktuell grundsätzlicher in Frage als
jemals zuvor, erhöhen für die Träger das Risiko, einstellen und/oder nachzahlen zu müssen
(zusätzlich auch für den Arbeitnehmeranteil) und verunsichern dadurch die Träger
öffentlicher Musikschulen.

 

3. Die gerade in den Kooperationsprojekten mit allgemeinbildenden Schulen und auch
Kindertageseinrichtungen unverzichtbare Einbindung in Abstimmungsprozesse mit den
PädagogInnen und ErzieherInnen dort sowie die Orientierung der Tätigkeit an inhaltlichen,
zeitlichen und räumlichen Vorgaben erfordert Weisungsbindung ebenso wie der „klassische“
Elementar-, Instrumental- und Vokalunterricht.

 

4. Die Attraktivität des Berufsbildes einer Musikschulpädagogin oder eines Musikschulpädagogen
hat durch die mangelnde Perspektive einer Festanstellung so gelitten, dass die
Zahl der Bewerbungen für musikpädagogische Studiengänge dramatisch zurückgeht und
die konkrete Gefahr besteht, dass es in zehn Jahren keinen ausreichenden qualifizierten
Nachwuchs mehr gibt.

 

5. Darüber hinaus gefährdet eine Fluktuation freiberuflichen Personals hin zu Festanstellungen
bei anderen Musikschulen, in andere Länder wie auch in andere Arbeitsbereiche die
Kontinuität des Unterrichts.

 

Verabschiedet in der Bundesversammlung
des Verbandes deutscher Musikschulen am 18. Mai 2017 in Stuttgart

Nur angestellte Lehrkräfte, die auf das Leistungs-Paket der „Zusammenhangstätigkeiten“
verpflichtet sind, können das vollständige, aufeinander abgestimmte, vielfältige und qualitativ
hochwertige Angebot der öffentlichen Musikschulen garantieren. Dadurch gewährleisten sie
nachhaltige, auf Vertrauen, Verlässlichkeit und auf längere Zeiträume angelegte Bildungsprozesse.
Nur sie ermöglichen ein für alle Lehrkräfte verpflichtendes Fortbildungsprogramm, eine intensive
beratende Zusammenarbeit mit den Eltern, nur sie garantieren eine Begabtenförderung, die sich an
den Bedürfnissen und Chancen der Schülerinnen und Schüler orientiert, nur sie erlauben notwendige
zusätzliche Aktivitäten für gelingende Inklusion, nur sie eröffnen einen flexiblen Einsatz für
kurzfristige notwendige Vertretungen, für Aktionen und Projekte der Musikschule an Wochenenden
und in den Ferien, nur sie gewährleisten die regelmäßige Teilnahme an Konferenzen der
Fachbereiche, der Stadtteilzentren oder im Rahmen von Projektplanung und -begleitung, nur sie
stellen damit eine fachlich-inhaltliche Weiterentwicklung der Musikschularbeit sicher.
Gerade die Zusammenarbeit mit den allgemeinbildenden Schulen verlangt – heute mehr denn je –
nach einer vertieften Abstimmung, die einen deutlich über den „Netto“-Unterricht hinausgehenden
Zeitaufwand erfordert und die Einbindung in schulische Abläufe nach sich zieht. Auch die
künstlerisch-pädagogische Abstimmung zwischen Elementarer Musikpädagogik, Instrumental-/
Vokalunterricht und Ensemblearbeit braucht Zeit und Flexibilität. All dies müsste bei einem fairen
und Rechtssicherheit bietenden Einsatz von Honorarkräften noch zusätzlich vereinbart und
honoriert werden.
Erst ein solcher Bildungsorganismus rechtfertigt – neben den Zugangsmöglichkeiten für alle
Bevölkerungsschichten und der garantierten Qualität examinierter Lehrkräfte - den Einsatz
öffentlicher Mittel für eine öffentliche Musikschule. Die öffentlichen Mittel, die den Einsatz von
weisungsgebundenen, angestellten Lehrkräften ermöglichen, gewährleisten damit genau das
pädagogische Plus und den bildungspolitischen Mehrwert, womit sich eine öffentliche Musikschule
von anderen Angeboten unterscheidet.
Dies ist auch die Erwartung der Träger an ihre öffentlichen Musikschulen. Hierzu bedarf es neben
einer professionellen Führung, die diese Leistungen einfordert und sinnvoll einsetzt, einer
entsprechenden finanziellen Ausstattung der Musikschulen durch die Kommunen als Träger und
ebenso durch die Länder, die hier gleichermaßen verantwortlich für das Bildungsgeschehen sind.
Denn Musikschulen ermöglichen eine Berufs-/Studienvorbereitung, die im staatlichen Schulsystem
nicht geleistet werden kann.
Es gibt allerdings Rahmenbedingungen und Anlässe vor Ort, die den Einsatz von Honorarkräften in
einzelnen Fällen sinnvoll erscheinen lassen, sofern eine Weisungsbindung vermieden werden kann.
Zum Beispiel, um Lehrkräfte verpflichten zu können, die anderweitig vollbeschäftigt – etwa an
anderen Musikschulen, an Musikhochschulen, an Universitäten, in Orchestern etc. – sind, um Lehrkräfte
im Rahmen von zeitlich begrenzten Projekten flexibel einsetzen zu können, um Musikstudierende
einsetzen zu können.
Die unverzichtbare Weisungsbindung rechtfertigt und erfordert aus Sicht des VdM klar eine
Entscheidung zugunsten von Anstellungsverhältnissen. Dies gilt sowohl für den qualitätsorientierten
Unterricht in den Bereichen Elementare Musikerziehung, Instrumental-/Vokalausbildung
und Ensemblearbeit als auch im Zusammenhang mit musikschulspezifischen Aufgabenstellungen
wie Kooperation mit allgemeinbildenden Schulen und Kindertageseinrichtungen,
Inklusion, Ensemblearbeit, Stadtteilarbeit und Projektarbeit. Bei der in den Papieren von KSV und
KGSt geforderten Qualität liegen die Personalkosten für angestellte Lehrkräfte zudem nicht
wesentlich über den Kosten für Honorarkräfte, die für die vergleichbaren Leistungen entsprechend
zusätzlich vergütet werden müssen.